Ich begrüße Sie zur Eröffnung einer
Ausstellung mit Skulpturen von Friedrich Popp. Zur Einführung darf ich ein paar
Sätze dazu sagen. - Wobei man bei einer solchen Aufgabe nie weiß, wo man am
besten beginnt: Bei den Kunstwerken oder bei deren Schöpfer?
Ich will heute beim Schöpfer
beginnen, bei der Person Friedrich Popp beginnen. (Den ich schon lange kenne
und persönlich ebenso schätze wie seine Werke. Eines davon ziert unseren
Garten.)
Geboren wurde Friedrich Popp 1953
in Geiselwind als Sohn des dortigen Dorfschmiedes. So kam er bereits in
frühester Jugend mit den Materialen Eisen und Stahl in Berührung, auch wenn er
später keine Schmiedelehre gemacht hat. Nach dem Abitur studierte er Geschichte
und Germanistik mit dem Ziel, Lehrer zu werden. Wobei er, dessen Interesse
schon damals neben der Literatur und der Politik der Kunst galt, auch ein
Kunststudium in Erwägung gezogen hatte. - Beruflich wandte er sich nach dem
erfolgreichen Studium nicht dem Lehramt zu, sondern der kommunalen Kultur- und
Sozialarbeit, was ihn bald in den multikulturellen
bzw. interkulturellen Bereich führte. - In Nürnberg sehr bekannt geworden ist
er dabei als Geschäftsführer des Nürnberger Ausländerbeirates.
Jenseits fachlicher Kompetenzen gefällt
mir an Friedrich Popp (und übrigens auch an seiner Kunst) besonders ein
Wesenszug, den man als Hang zu Ironie bezeichnen kann, d.h. ein ihm
innewohnendes, lustvolles und nie ganz durchschaubares Spiel zwischen Ernst und
heiterem Spott, der auch vor der eigenen Person und eigenen Standpunkte nicht
Halt macht. „Den Widrigkeiten der modernen Welt ist wohl am ehesten mit
Ironie beizukommen“, meint er. Er sagt ausdrücklich „Ironie“, nicht
Zynismus. Ironie ist Spiel, sie schmerzt nicht, im Gegensatz zum Zynismus
braucht man dafür keinen Waffenschein.
Zur Charakterisierung von Friedrich
Popp gehört natürlich auch seine Rolle
als Künstler, der inzwischen auf mehr als 30 Ausstellungen präsent gewesen
ist. Wobei er sich selbst ausdrücklich nicht „Künstler“ nennt. Er sieht sich
lediglich als kreativ tätigen Menschen. Ob das, was er dabei mit Hammer, Amboss
und Schweißbrenner produziert, Kunst ist, das zu beurteilen überlässt er anderen.
Damit bin ich von der Person
Friedrich Popp auf seine Werke, sein kreatives Schaffen gekommen. Auf eine
Kunst, die man – bezogen auf seinen Namen - konsequenter Weise als „Popp-Art“
bezeichnen müsste. Allerdings ist der Begriff schon anderweitig besetzt - und
uns Franken würde er darüber hinaus von unserem Artikulationsvermögen her nur
schwer über die Lippen gehen. („Bobard“ würden wir sagen. „Popp“ verkommt zu „Bob“: für die einen ein
Rennschlitten im Bereich des Wintersports, für städtische Insider die Abkürzung
von Bauordnungsbehörde. - Ich frage
mich, wieso ausgerechnet bei uns in Franken so viele Menschen Popp heißen; als
ich Leiter des Amtes für Kultur und Freizeit war, gab es dort gleich drei
Popps, die im übrigen nicht miteinander verwandt waren.)
Doch auf seine Weise hat Friedrich Popps Werk tatsächlich mit der eigentlichen Pop-Art zu tun, jener „Popular Art“, also populären Kunst, die in den 50-er und 60-er Jahren in den USA und in England entstanden ist und z.B. Produkte der Massenindustrie wie Bierflaschen und Suppendosen in Gemälde, Collagen oder andere Objekte einbezog. Zu den europäischen Künstlern jener Richtung zählt der Schweizer Jean Tinguely mit seiner kinetischen Kunst und seinen surrealistischen Schrott- Skulpturen, mit denen er – ebenfalls ein Freund von Ironie - die Technisierung der modernen Zeit auf die Schippe genommen hat. - Solchen aus Schrottteilen zusammengeschweißten Werken von Jean Tinguely begegnete Friedrich Popp 1975 auf einer Reise nach Amsterdam. Er war davon so angetan, dass sein Interesse am Arbeiten mit Eisen und am künstlerischen Schaffen wieder erwachte.
In der inzwischen brach liegenden
väterlichen Schmiede in Geiselwind begann er mit umherliegendem Schrott, mit
Ersatzteilen und den verschiedensten Fundstücken und Fragmenten zu
experimentieren und zu arbeiten. Bald entstanden phantasievolle Figuren und
Masken. Die Skulpturen des jungen Schrottbildhauers ergaben sich dabei in ihrem
Entstehungsprozess aus den Zufälligkeiten im Fundus des vorgefundenen Schrott-
und Materiallagers und aus der Spontaneität des Künstlers (oder des „kreativ tätigen
Menschen“, wie es Friedrich Popp
ausdrückt). Es gab keine im Kopf, auf dem Papier oder gar im Modell
vorgedachten Konstruktionspläne.
Diese Arbeitsweise hat sich im
Laufe der Jahre geändert, Friedrich Popps Schaffen hat sich weiterentwickelt:
endogen und exogen, d.h. von innen heraus und - auf einer trivialeren Ebene -
von außen her bedingt. Von außen bedingt, weil er neben seiner
beruflichen Tätigkeit in Nürnberg auf Dauer keine eigene Schmiede und kein
eigenes großes, reichhaltiges, vielfältiges Schrottlager unterhalten konnte. Er
nutzte die Werkstätten anderer für bestimmte Zeiten mit und musste sich deshalb
jeweils vorher überlegen, was er in dieser kostbaren Zeit konkret machen wollte
und - vor allem - welches Material er dazu mitnehmen musste. Ohne Planung ging
das nicht. Von innen heraus gewollt (und wohl auch notwendig) war diese
Weiterentwicklung, weil er zum einen nicht auf Dauer ab-strakt und inhaltlich
eher belanglos arbeiten wollte, sondern Bezüge zu seinen anderen Interessengebieten
(wie Geschichte und Gesellschaft) herstellen wollte. Und weil er zum anderen –
wie jeder ernsthaft arbeitende Künstler - nach einem eigenen, unverwechselbaren
Stil suchte; was dazu geführt hat, dass man heute seine Werke als solche
erkennt, u.a. an den Rundungen und an Kreisen im Abschluss. So ist es gekommen,
dass Friedrich Popp heute seine Arbeiten gründlich plant, natürlich orientiert
an vorhandenen Fundstücken, aber durchaus offen für Metallteile, die erst
gesägt oder geschmiedet werden müssen.
Bei den hier ausgestellten
Skulpturen (aber auch bei den verschiedenen Modellen) kann man das sehen.
Da sind zunächst einige Schachfiguren. Wozu man
wissen muss, dass sich der Historiker Popp eingehend mit der sehr, sehr
interessanten und überaus reichen Geschichte des Schachspieles beschäftigt hat,
das vor zweieinhalb Jahrtausenden in Indien entstanden ist und später über
Persien und Arabien durch spanische Juden ins mittelalterliche Europa kam.
Beim ursprünglichen Schach stehen
sich zwei Heere gegenüber mit einem König (dem Schah, daher „Schach“), einem
Feldherren, Streitrössern, Elefanten und
Kampfwagen und Fußsoldaten. Beim Import von Arabien nach Europa wurden aus den
Soldaten die Bauern, aus den Elefanten die Läufer, aus den Reitern die Springer
oder Pferde, aus den Streitwagen die Türme, aus dem Schah der König - und aus
dem Feldherren die Dame. Diese mächtigste Schachfigur hieß im Arabischen Fers,
was Feldherr oder Wesir, d.h. Minister, bedeutet. Im Französischen wurde durch
sprachliche Schludrigkeit oder - eine zweite Theorie - durch die Anlehnung an
die damals hoch im Kurs stehende Marienverehrung aus dem Fers vierge
(„wi-ersch“), was Mädchen oder Jungfrau heißt. (Die Himmelskönigin Maria
hatte in Europa große Bedeutung. Die Araber hätten die mächtigste Figur im
Schachspiel wohl nicht als weibliche Person dargestellt.)
Popp hat für uns vier Schachfiguren
geschaffen: einen Streitwagen (Turm), einen Wesir (Dame), einen König und ein
Pferd. Es sind nicht nur - wie ich meine - sehr schöne Objekte, sie erschließen
mit ihrem geistigen Hintergrund auch neue Gedankenräume, historische
Zusammenhänge und zeitlose Phänomene.
Vermuten könnte man das Auge als
Symbol für Gott im Christentum, wie es seit dem Altertum zu finden ist. Es
könnte aber auch das Auge des Propheten sein, wie es als Symbol im Islam
verbreitet ist. (Und wie es nicht weniger unserer islamischen Mitbürger als
eine Art Talisman im Auto hängen haben) – Popp ist historisch viel weiter
zurückgegangen, in das alte Ägypten, wo wir das Horus-Auge (um das es sich hier
handelt) seit mehr als 4000 Jahren als Hieroglyphe in Tempeln finden oder als
Amulett, auf Schmuckstücken, auf Sarkophagen. Dem Mythos nach riss ein
rivalisierender Gott dem Falkengott Horus (dem Sohn von Osiris) das Auge aus.
Thot, der weise Mondgott brachte es wieder in Ordnung. So ist das Auge zum
Symbol für die wiedererlangte Unversehrtheit und ewige Erneuerung geworden. (Wer
von Ihnen, meine Damen und Herren, will, kann das Auge natürlich auch als
optimistisches Zukunftssymbol anderer Religionen und Weltanschauungen sehen.)
Das Kunstobjekt vor uns zeigt nicht nur das Auge des Falkengottes, sondern auch das Gefieder des Falken in stilisierter Form analog der zugehörigen Hieroglyphe. Mit dem an die Hieroglyphe angefügten Rad bringt Popp nicht nur seine für ihn charakteristische Abschlussrundung ins Bild, er stellt damit auch eine Verbindung zum heutigen Industriezeitalter her. Der Betrachter kann sich mit dieser Deutung begnügen. Aber er kann es auch in Verbindung mit dem Wunsch nach einer wieder zu erlangenden Unversehrtheit unserer Welt sehen. Oder einer Erneuerung der Welt. Ein Gedanke, der mit einem hohen Maß an Optimismus jedenfalls gedacht werden kann. Oder eben mit einem gehörigen Schuss Ironie, womit wir wieder am Ausgangspunkt unserer Betrachtung und bei Friedrich Popps Grundphilosophie wären: „Den Widrigkeiten der modernen Welt ist wohl am ehesten mit Ironie beizukommen.“
Meine Damen und Herren, ich wünsche
Ihnen viel Vergnügen bei der Begegnung mit Friedrich Popps Skulpturen.
Siegfried Kett, Stadtdirektor i.R.